Wie mir als Psychoonkologin Schreiben hilft

Gast: Angelika von Aufseß

„Schweres leichter machen“ – Wie Schreiben in der Krankheit Kraft schenkt

Wenn Angelika von Aufseß über das Schreiben spricht, spürt man sofort, dass hier jemand nicht nur über das Leben schreibt, sondern mitten darin steht. Sie ist Diplompsychologin, Psychoonkologin, Coach, Autorin – und jemand, der Schreiben als Werkzeug für Mut und Klarheit begreift. In der neuen Folge von Tinte & Courage erzählt sie, wie Worte Menschen helfen können, mit einer Krebserkrankung umzugehen – ohne in Schwere zu versinken.

Angelika arbeitet seit vielen Jahren mit Krebspatientinnen und -patienten. Ihr Motto: „Schweres leichter machen.“ Schreiben ist für sie keine Übung im Leid, sondern ein Weg, sich selbst wieder zu spüren. Sie beschreibt es als Raum, in dem Angst und Hoffnung, Tränen und Lachen nebeneinander stehen dürfen. In ihren Workshops erlebt sie immer wieder, wie Menschen, die dachten, sie könnten nicht schreiben, plötzlich den Stift nicht mehr aus der Hand legen wollen.

Sie plädiert dafür, über Krankheit und sogar den Tod auch lachen zu dürfen und durch kreative Sprache („die dumme Krebssau“, „Schniepkröte“) Distanz und Selbstwirksamkeit zu schaffen. Denn Humor, sagt sie, sei nichts anderes als ein Akt der Selbstermächtigung.

In der Folge geht es auch um Angelikas Buch „Total tapfer“, in dem sie Krankheitsgeschichten literarisch verarbeitet. Das Buch zeigt, was passiert, wenn Menschen anfangen, ihr Erleben in Sprache zu fassen – und wie daraus ein neues Verständnis von Stärke entsteht.

Angelika teilt zwei ihrer Lieblingsübungen. In der einen geht es darum, den eigenen Körper erzählen zu lassen – vom ersten Atemzug am Morgen bis zum letzten Gähnen am Abend. Die andere nennt sie „geschöntes Schreiben“: eine missglückte Begegnung so umschreiben, als wäre sie wunderbar verlaufen. Wer das ausprobiert, merkt schnell, wie sehr Worte Realität formen können.

Neben ihrer Arbeit in der Psychoonkologie wurde kürzlich ihr neues Buch „Tagebuch Reloaded“ veröffentlicht – eine liebevolle Einladung, das Schreiben als täglichen Begleiter zu begreifen. Darin versammelt sie vielfältige Impulse, die vom klassischen Tagebuchschreiben bis hin zu spielerischen, überraschenden Schreibanlässen reichen. Das Buch zeigt, dass Schreiben nicht nur Therapie oder Selbstreflexion sein muss, sondern auch Freude, Neugier und Leichtigkeit bedeuten kann – ein Werkzeug, um sich selbst immer wieder neu zu begegnen.

Das Gespräch mit ihr ist eine Einladung, Schreiben nicht nur als Ventil, sondern als Möglichkeit zur Selbstfürsorge zu begreifen. Es zeigt, dass wir nicht immer tief graben müssen, um etwas in uns zu bewegen. Manchmal reicht schon ein Stift, ein Blatt Papier und die Bereitschaft, ehrlich hinzuschauen – und vielleicht zwischendurch auch zu lachen.

Wer also wissen möchte, wie man mit Sprache Kraft schöpft, warum Humor eine Form der Heilung sein kann und wie Schreiben selbst in dunklen Zeiten Licht bringt, sollte diese Folge unbedingt hören.

🎧 Jetzt reinhören!

Das Transkript der Sendung könnt ihr hier herunterladen.

Kurz-Vita

Diplompsychologin und Psychoonkologin mit beruflichen Stationen als Psychotherapeutin,  qualitativer Marktforscherin, Moderatorin, Kommunikationstrainerin, Coach, Rehapsychologin, Schreibgruppenleiterin für Menschen mit einer Krebserkrankung sowie als beratende Expertin für die psychoonkologische App Living Well Plus von Prosoma.  

Als Autorin veröffentlichte sie Beiträge für Fachmagazine und Kurzgeschichten in Anthologien. Aktuelle Veröffentlichungen: „Total tapfer! Ein Lese- und Fachbuch zur psychosozialen Begleitung bei Krebs“ (V&R 2024) und Tagebuch reloaded – Schreibimpulse von A bis Z“ (V&R Oktober 2025). 

Ihr könnt Angelika von Aufseß auch auf LinkedIn folgen:

Oder ihr eine E-Mail schreiben:

📧ava@avonaufsess.de 

Im Podcast erwähnt

Living Well plus APP

Infos zur App gibt es hier.

Gedicht Mascha Kaleko „Rezept“

daraus der Anfang: Jage die Angst fort und die Angst vor den Ängsten. Den kompletten Text gibt es hier: Gedicht.

Susanne Diem, Homepage und Blog

Sabine DinkelKrebs ist, wenn man trotzdem lacht“

Lieblingsbücher

Natalie Goldberg, „Schreiben in Cafés“, Autorenhaus 2003

Liane Dierks, „Sich ins Leben schreiben“

Paul Auster „Winterjournal“

Herta Müller, Im Heimweh ist ein blauer Saal, 2. Auflage, Carl Hanser, 2020

Carmen Unterholzer, Es lohnt sich, einen Stift zu haben, Carl Auer 2017

Petra Rechenberg-Winter, Leid kreativ wandeln. Biografisches Schreiben in Krisenzeiten, V&R 2015  

Lieblings-Selbstcoaching-Schreibübung

Lyrik als Schreibimpuls: Gedichtzeilen als Ausgangspunkt für Automatisches Schreiben oder auch zum Verfassen eigener poetischer Texte/Gedichte 

Geschöntes Schreiben (Münchhausen-Tecnik): eine vergangene Situation, die unangenehm, peinlich, nervig, kränkend … war, nachträglich in eine gelungene Situation zu übersetzen, also die erlittene Schmach in ein Heldinnenepos verwandeln. Oder auch eine bedrohliche zukünftige Situation in eine meisterhaft geschulterte Situation verwandeln, die bereits in der Vergangenheit liegt. 

Neu für mich entdeckt: Physisches Schreiben: Einen Tag aus der Perspektive des Körpers und seiner Empfindungen und Erfahrungen beschreiben. 

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